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14.03.2005
Artikel: Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien - Perspektiven für einen nachhaltigen Frieden aus europäischer Sicht
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von
Lothar Mark, MdB, Dorothee Friedrich und Dr. Holger Schrader

Seit Jahrzehnten leidet die Bevölkerung Kolumbiens unter einem bewaffneten Konflikt, in den Guerilleros, Paramilitärs und staatliche Sicherheitskräfte verstrickt sind. Mord zählt in Kolumbien zu den häufigsten Todesursachen, Entführungen sind an der Tagesordnung und mehrere Millionen Menschen sind aus ihren Heimatorten vertrieben worden. Die Regierung Uribe versucht, den Konflikt mit den Guerillaorganisationen militärisch zu lösen, verhandelt auf der anderen Seite aber mit paramilitärischen Gruppen. Die Europäische Union bemüht sich, zur Beilegung des Konfliktes beizutragen. Eine internationale Konferenz, die Anfang Februar in Cartagena stattfand, ist ein wichtiger Schritt in diesen Bemühungen, eine Verhandlungslösung zu erreichen. Die dort verabschiedete Deklaration geht jedoch nicht weit genug.

1. Der kolumbianische Konflikt
Der innerstaatliche Krieg in Kolumbien ist von seiner Genese her ein typischer revolutionärer Anti-Regimekrieg, dessen Grundstruktur erhalten geblieben ist und dessen entfernter Ursprung der bewaffnete Kampf der Guerillatruppen in den 1960er Jahren ist. Es handelt sich mittlerweile weniger um einen Krieg, als um eine Gruppe regionaler Kriege, die mit der Präsenz der Konfliktgruppen in unterschiedlichen Regionen zusammenhängt. Dies hat Konsequenzen für die Lösung des Konflikts.


Das Entstehen einer linksgerichteten Aufstandsbewegung Mitte der 1960er Jahre stellt in Lateinamerika keine Besonderheit dar. Dies gilt zumal für einen Staat, der noch immer die ungerechteste Landverteilung in Lateinamerika aufweist: 61,2 % des zu bewirtschaftenden Lands gehören gerade einmal 0,4 % der Bevölkerung. Atypisch ist mittlerweile jedoch, dass der bewaffnete Konflikt noch zu keinem finalen Zustand führte, wie dies etwa in Mittelamerika der Fall war, sondern vielmehr in einen Dauerzustand überging. In dessen Folge entstanden weitere Gewaltakteure, und die zugrunde liegenden politischen Ziele schwanden.


Die Strukturen dieses langwierigen Konfliktes sind schwierig und komplex: Ein Überblick über die Gewaltakteure, deren Zielsetzungen und Strategien, interdepen­dente Entwicklungen sowie eine klare Trennung der Beteiligten und ihrer manchmal ambivalenten Verhältnisse zueinander ist nicht leicht, da es sich nicht um eine klassisch dichotome Konfliktkonstellation, etwa Staat gegen eine aufständische Gruppe, sondern um ein Akteursgeflecht mit variabler Geometrie handelt. Zu den Hauptakteuren zählen auf der einen Seite die beiden Guerillaorganisationen FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia - Ejército Popular) und ELN (Ejército de Liberación Nacional), auf der anderen Seite der kolumbianische Staat. Zudem sind in den Konflikt paramilitärische Organisationen involviert, die als Reaktion auf die mangelnde Durchsetzungskraft des Staates gegenüber den Guerillabewegungen entstanden sind. Den Paramilitärs, die für den Großteil der Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, wird eine große Nähe zum Staat bzw. den staatlichen Sicherheitskräften nachgesagt.


In den 1990er Jahren haben sich die Guerillagruppen mehrheitlich weit von ihrem ursprünglich von großen Teilen der Zivilbevölkerung mit Sympathien begleiteten Kampf entfernt. Es kommt trotz verschiedener Versuche zu keinem gemeinsamen Vorgehen der einzelnen Gruppen mehr.


2. Die Ausgangslage für den Friedensprozess


Die von der Vorgängerregierung Pastrana seit 1998 betriebene Politik der Verhandlungen mit der größten Guerilla-Organisation des Landes, den FARC-EP - inzwischen geschätzt über 18.000 Bewaffnete - wurde im Februar 2002 abgebro­chen, da die Forderungen der Regierung (z.B. Waffenruhe, Entführungsstopp) unerfüllt blieben. Eine Wiederaufnahme der Gespräche gelang bislang nicht. Auch die Anstrengungen um einen Friedensdialog mit dem ELN haben bisher zu keinen konkreten Ergebnissen geführt.


Die Verhandlungen mit Teilen der Paramilitärs (Vereinigte Selbstverteidigungsgrup­pen Kolumbiens – AUC) über eine Demobilisierung werden seit Mitte 2003 mit ungewissem Ausgang geführt. Derzeit berät der kolumbianische Kongress einen Gesetzentwurf zur Demobilisierung der illegalen Gruppen, wobei insbesondere die Frage des Mindeststrafmaßes für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Rückgabe illegal erworbenen Eigentums sowie die Entschädigung der Opfer sehr kontrovers diskutiert werden.


Beide Guerillagruppen und auch die Paramilitärs operieren in weiten Teilen des Landes. Die Stärke der paramilitärischen Gruppen wird auf ca. 15-18.000 Mann geschätzt. Demgegenüber haben Maßnahmen von Regierungsseite zur Verstärkung und verbesserten Ausbildung der staatlichen Kräfte Fortschritte erbracht. Die Reaktionsfähigkeit der Sicherheitskräfte auf Übergriffe der Gewaltgruppen gegen die Zivilbevölkerung gilt als verbessert. Die Doppelstrategie der Regierung, die durch verstärkten militärischen Druck einerseits und soziale und wirtschaftliche Reformen andererseits Verhandlungen mit den illegalen Gruppen erzwingen will, hat allerdings noch nicht den gewünschten Durchbruch erzielt.

2.1 Drogenbekämpfung


Eng mit dem internen bewaffneten Konflikt verknüpft sind die Probleme des Drogenanbaus und -handels sowie der damit verbundenen organisierten Kriminalität: Die Einnahmen aus dem Drogenhandel gehören zu den Finanzierungsquellen der illegalen bewaffneten Gruppen, wobei sich die Guerillagruppen tendenziell eher über den Anbau, die paramilitärischen Verbände eher über den Handel finanzieren. Drogengelder fördern die Korruption und gefährden die Demokratie. Kolumbien gilt als der weltweit größte Produzent von Koka. Hauptpfeiler der Drogenbekämpfungs­strategie in Kolumbien sind weiterhin großflächige Besprühungen von Drogenkultu­ren aus der Luft, was für die Kleinbauern sowohl schwerwiegende gesundheitliche als auch wirtschaftliche Folgen nach sich zieht, da nicht nur Koka zerstört wird. Die geschätzte Anbaufläche sollte durch massive Besprühungen seit Amtsantritt Präsident Uribes um ca. 30% auf ca. 69.000 ha zurückgehen. Bis 2004 wurde allerdings nur ein Rückgang auf 86.000 ha erreicht. Ein nachhaltiger Erfolg gilt auch deswegen nicht als gesichert, da die Drogenproduktion in der Region insgesamt etwa auf dem gleichen Niveau verharrt. Umso bedeutender sind Projekte alternativer Entwicklung, die (kleineren) Produzenten zu einem Wechsel der Anbauprodukte bewegen sollen. Statt Koka wird der Anbau vom Früchten, Kautschuk und Ölpalmen gefördert.

2.2 Menschenrechte und Verschärfung der humanitären Krise


Die Menschenrechte werden von der kolumbianischen Verfassung von 1991 umfassend garantiert. Darin wurden umfangreiche Instrumente zur Bekämpfung von Menschenrechtsverstößen geschaffen.


In der Realität ist aber vor allem für die Zivilbevölkerung selbst die Wahrung der elementarsten Menschenrechte häufig nicht sichergestellt: Insbesondere die paramilitärischen Gruppen sowie die Guerilla sind hierfür die Hauptverantwortlichen. Deren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dauern in massiver und systematischer Weise an, häufig in einer spezifisch gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Form. Wenngleich die Statistiken der zuständigen Staatsanwaltschaften weniger Anzeigen gegen Heer und Polizei vermelden, was auf eine tendenzielle Verbesserung der Menschenrechtsstandards dort hoffen lässt, liegen die Ziffern jedoch auf einem erschreckend hohen Niveau (z.B. extralegale Hinrichtungen oder willkürliche Verhaftungen).


Insgesamt sind seit 1964 nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 200.000 Menschen in dem Konflikt umgekommen, rund drei Mio. Menschen wurden von ihrem Besitz vertrieben. Der Bericht des UN-Hochkommissars für Flüchtlingsfragen (UNHCR) bezeichnet dies als die „größte humanitäre Katastrophe außerhalb Afrikas“.


Die Auswirkungen auf die soziale Situation im Land überraschen nicht: Zwei von drei Kolumbianern befinden sich unterhalb der Armutsgrenze, d.h. sie leben von weniger als zwei USD täglich. Die relativ positiven Wirtschaftsdaten blieben bislang ohne Effekt für die unteren Einkommensschichten.


3. Die Beziehungen Kolumbiens zur Europäischen Union


Dem Ausbau der Beziehungen zur EU wird in Kolumbien grundsätzlich eine hohe Bedeutung beigemessen. Die EU unterstützt ihrerseits Bemühungen um eine Überwindung des Binnenkonfliktes auf dem Verhandlungsweg, setzt sich für die Achtung der Menschenrechte ein und fördert Maßnahmen zur Armutsbekämpfung.


Im Dezember 2003 wurde in Brüssel ein Abkommen zwischen der Andengemeinschaft und der EU über politischen Dialog und vertiefte Zusammenarbeit unterzeichnet, welches das Kooperationsabkommen von 1993 weiterentwickeln soll. Hierbei verfolgt Kolumbien gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Andengemeinschaft das Ziel eines Freihandelsabkommens mit der EU. Ein definitiver Verhandlungsbeginn wurde allerdings auch im Abschlussdoku­ment des EU-Lateinamerika-Gipfels 2004 in Guadalajara noch nicht festgelegt.

3.1 Die Rolle der Europäischen Union im Friedensprozess


Europa ist größter ausländischer Investor und zweitgrößter Handelspartner des Landes. Doch nicht nur wegen der wirtschaftlichen Interessen, sondern insbesondere angesichts der humanitären Katastrophe im Land muss Europa daran gelegen sein, den ihm möglichen Beitrag zur Lösung des bewaffneten Konflikts zu leisten.


Seit 1994 hat die Entwicklungsagentur der EU-Kommission ECHO (European Commission Humanitarian Aid Office) in Kolumbien humanitäre Hilfe in Höhe von mehr als 100 Mio. ¤ geleistet. Auch die Kommission selbst gewährt umfangreiche Entwicklungshilfe, die an die Soforthilfe von ECHO anknüpft – für den Zeitraum 2002-2006 sind 105 Mio. ¤ vorgesehen. Schwerpunkte dabei bilden die Unterstützung lokaler Friedensinitiativen (z.B. des so genannten Friedenslabors in Magdalena Medio), die Förderung der Verwaltungs- und Justizreform sowie die Räumung von Minen.


Nach Formulierung des US-amerikanischen Plan Colombia leistete Europa einen wertvollen Beitrag zur Belebung des Friedensprozesses. Zu den diesbezüglichen Aktivitäten gehörten die Bildung der Freundschaftsgruppen, die Unterstützung der Bemühungen des Sonderbeauftragten des VN-Generalsekretärs, James Lemoyne, der inzwischen aus Kolumbien abgerufen wurde, und die Annahme eines europäischen Programms in Abgrenzung zum Plan Colombia. Gegenüber diesem einseitig militärisch ausgelegten Lösungsansatz der USA setzt die EU vielmehr auf die Strategie des Dialogs: So stehen eine Verhandlungslösung, die Zusammenarbeit zur Durchsetzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, alternative Lösungen in Bezug auf den Drogenanbau (z.B. Allg. Präferenzsystem für Produkte aus Drogenanbauländern) und offene Prozesse der sozialen Mitbestimmung im Vordergrund der Bemühungen.


Nach dem 11. September 2001 ist allerdings eine zurückhaltendere Rolle Europas gegenüber Kolumbien auszumachen. Dies ist vor dem Hintergrund des "Patriot Act“, dem von der US-Regierung erlassenen Gesetz, das US-amerikanischen Ermittlungsbehörden weit reichende Befugnisse bei der Verfolgung und Überwachung von möglichen Terroristen und Straftätern zubilligt, und dem Wahlerfolg Uribes im Juni 2002 zu verstehen. So wurden die FARC-EP und die paramilitärischen AUC auf die EU-Terrorliste aufgenommen. Nach dem Deutschland-Besuch von Präsident Uribe im Februar 2004 unterstützte Deutschland auch die Aufnahme der ELN auf diese Liste.


Insgesamt ist somit eine Annäherung der EU an die US-Position festzustellen. Als wichtigste europäische Verbündete der USA beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus und zentrale Partner Lateinamerikas haben Großbritan­nien, Spanien und Italien bei diesem Richtungswechsel eine entscheidende Rolle gespielt. So unterstützte beispielsweise Spanien Kolumbien durch Militärhilfe, Groß­britannien leistete Unterstützung im Bereich der kolumbianischen Geheimdienste und Sicherheitskräfte. Nach dem Regierungswechsel in Spanien haben sich die Bedingungen für multilaterale Initiativen deutlich verbessert. Unter anderem trat etwa die neue spanische Regierung Zapatero von einer unter Aznar vereinbarten Panzer­lieferung an Kolumbien zurück.


Einen wichtigen Meilenstein der Beziehungen zwischen der EU und Kolumbien stellt die „Londoner Erklärung“ vom Juli 2003 dar, in der zwischen Geldgebern und der kolumbianischen Regierung EU-Hilfen in Höhe von 250 Millionen britischen Pfund vereinbart wurden. Diese sind allerdings an das Engagement der kolumbianischen Regierung für die Einhaltung von 24 Empfeh­lungen der VN-Kommission für Menschenrechte gekoppelt. Ende 2003 wurde jedoch festgestellt, dass keine dieser Forderungen vollständig erfüllt und gegen sieben Punkte direkt angearbeitet worden war, unter anderem durch die Umsetzung der Antiterrorgesetze. Ende August 2004 erklärte das Verfassungsgericht das Anti-Terror-Statut der Regierung auf Grund von Verfahrensfehlern für ungültig, was als schwerer Rückschlag für die Regierung Uribe gewertet werden muss. Diese Verfassungsänderung wurde wegen der Möglichkeiten, in die Individualrechte einzugreifen – z.B. durch Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, Abhöraktionen, (Massen)Verhaftungen ohne richterlichen Befehl – sehr kontrovers diskutiert. Am 26. Januar 2004 bekräftigte EU-Außenkommissar Chris Patten die Zweifel der Londoner Geberkonferenz. Indem die Verpflichtungen aus dem London-Prozess bekräftigt werden, hat sich die kritische Haltung der EU auch in der Abschlussdeklaration der Cartagena-Konferenz der G-24 nieder geschlagen. Dort trafen sich im Februar die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten, Norwegen, Schweiz, Argentinien, Brasilien, Kanada, Mexiko, Chile, die USA, Japan sowie verschiedene multilaterale Organisationen mit der kolumbianischen Regierung.

3.2 Die kolumbianische Perspektive der Beziehungen zur EU


In der kolumbianischen innenpolitischen Debatte gelten die Beziehungen zu Europa in weiten Kreisen als wenig zielführend. Wenngleich das große entwicklungspoliti­sche Engagement seitens der EU-Kommission sowie der einzelnen Mitgliedstaaten allgemein anerkannt wird, bietet die europäische protektionistische Agrarpolitik Angriffsfläche für Kritik. Zu den kritisch betrachteten Aspekten der europäischen Kolumbien-Politik(en) zählen unter anderem die „Parallel-Diplomatie“ der Guerilla­gruppen in Europa und das Wirken europäischer Menschenrechtsgruppen.


Der Hauptproblempunkt für einen konstruktiven Friedensdialog zwischen Europa und der kolumbianischen Regierung besteht somit in der Frage der Menschenrechte und eines Gleichgewichts zwischen militärischer und ziviler Krisenbewältigung. Die EU hat diesbezüglich ein besonderes Interesse an einem humanitären Abkommen mit den FARC zum Gefangenenaustausch, wobei Frankreich in Hinblick auf die FARC-Geisel und ehemalige Präsidentschafts­kandidatin Ingrid Betancourt eine herausgehobene Rolle einnimmt.


Grundsätzlich herrscht in Kolumbien eine breite Akzeptanz der Strategie Uribes, über die Betonung der öffentlichen Sicherheit und der Rückgewinnung des staatlichen Gewaltmonopols den Weg zum Frieden zu bahnen. Diese müsste allerdings um wesentliche Eckpunkte einer neu gewichteten politischen Agenda, die Europa mit der kolumbianischen Regierung auszuhandeln hat, ergänzt werden. Entscheidend wird dabei auch sein, wie weit sich die bislang fundamental unterschiedlichen Sichtweisen (terroristische Bedrohung vs. interner bewaffneter Konflikt) einander annähern lassen.


4. Perspektiven für einen dauerhaften Frieden in Kolumbien


Eine friedliche Beilegung des Konfliktes in Kolumbien scheint in naher Zukunft nicht wahrscheinlich. Die Demobilisierung der Paramilitärs, wie sie von der Regierung eingeleitet wurde, führt offensichtlich nicht zu einer Veränderung der Strukturen. Die Gruppen kontrollieren nach wie vor weite Teile des Landes, nicht nur militärisch, sondern vor allem auf Grund ihrer wirtschaftlichen Macht und der daraus resultierenden Möglichkeit der politischen Einflussnahme. Ihre Kontrolle wurde durch das Abkommen mit der Regierung quasi legalisiert.


Gegenüber den FARC-EP haben sich die Fronten verhärtet, nachdem Kolumbien einen Anführer der FARC-EP an die USA ausgeliefert hat. Ein humanitäres Abkommen zum Austausch von Gefangenen scheint in weite Ferne gerückt; die Verhandlungskanäle zwischen Regierung und Guerilla-Führung scheinen verschlossen.


Wichtige Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Kolumbien ist ein gesamtgesellschaftlicher Konsens, der die Verpflichtung zur Einhaltung demokrati­scher Verfahren, die Delegitimierung des bewaffneten Kampfes sowohl der Guerilla als auch der Paramilitärs, den Schutz der Zivilbevölkerung vor Übergriffen jedweder Art, eine klare Präferenz sozialer Integration und die Korruptionsbekämpfung sowie die Transparenz staatlichen Handelns beinhalten müsste.


Sowohl die EU-Kommission als auch die EU-Mitgliedstaaten haben ein Interesse daran, im Verbund mit den VN eine stärker gestaltende Rolle im Konflikt in Kolumbien zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll, die unter­schiedlichen Ansätze der USA, die eher militärisch orientiert handeln, und der eher entwicklungspolitisch motivierten EU zusammen zu führen.


Zudem muss die Europäische Union eine Position beziehen, die Kompromisse ermöglicht. Neben der Befürwortung einer humanitären Vereinbarung, welche die Teilnahme aller Parteien am Friedensprozess sicherstellen könnte, und einem Bekenntnis zu einem Friedensschluss auf dem Verhandlungsweg gehört deshalb zwingend auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Regierung bei deren Bemühungen zur Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit im gesamten Land, bei der Drogenbekämpfung und bei der Verbesserung des sozialen Zusammenhalts dazu.


Auch die Bereitschaft, einen substantiellen Beitrag zur Konfliktlösung zu leisten ist notwendig. Dies umfasst neben der politischen Unterstützung der laufenden Initiativen auch konkrete finanzielle Hilfe. Nicht zuletzt wird es für Kolumbien von allergrößter Wichtigkeit sein, wie das Nachfolgeregime APS+ ausgestaltet wird, das ab Juli 2005 das APS ‚Drogen’ ablöst.


Die Voraussetzungen dafür sind wiederum die Erarbeitung einer glaub­würdigen und langfristig angelegten Friedensstrategie mit deutlichen sozialen Akzenten durch die Regierung Uribe sowie die Schaffung eines umfassenden rechtlichen Rahmens für Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung aller illegalen bewaffneten Gruppen in die Gesellschaft, der den internationalen Konventionen genügt und vor allem die Rechte der Opfer garantiert.


In Cartagena wurden Schritte in diese Richtung unternommen, indem der in London 2003 begonnene Prozess bestätigt wurde. In der verabschiedeten Deklaration wurde die humanitäre Katastrophe, die sich in Folge des bewaffneten Konfliktes in Kolumbien abspielt, allerdings nur verklausuliert benannt.


Umso deutlicher haben am Rande der Veranstaltung wichtige Vertreter der kolumbianischen Gesellschaft die Probleme artikuliert. In einer Erklärung haben unter anderem Vertreter von Kirchen, Unternehmen, Menschenrechtsorganisationen und Gemeinden den Konflikt und seine dramatischen Folgen für die Zivilbevölkerung thematisiert und die Regierung Uribe aufgerufen, eine politische Lösung auf dem Verhandlungswege herbei zu führen. Insbesondere beziehen die Unterzeichner Posi­tion gegen eine Straffreiheit von am Konflikt beteiligten Gruppen und fordern Repara­tionen für die Opfer. Damit sprechen sie sich für eine Korrektur der Politik der Regierung Uribe insbesondere gegenüber den paramilitärischen Gruppen aus.


Es bleibt abzuwarten, inwieweit dieses breite zivilgesellschaftliche Bündnis Bestand hat. Von großer Wichtigkeit wäre aber, dass die Bemühungen um eine Belebung des Friedensprozesses von der Zivilgesellschaft insgesamt noch stärker aufgegriffen werden. Schon in vielen anderen Teilen der Erde hat sich gezeigt, dass regelmäßige Willenskundgebungen breiter Massen ungeahnte Veränderungen herbeiführen können (z.B. die Montagsdemonstrationen in der ehem. DDR).


Die zivilgesellschaftliche Initiative von Cartagena belegt, dass die Forderun­gen der EU von weiten Teilen der kolumbianischen Gesellschaft geteilt werden und der politische Ansatz der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten weiter verfolgt werden muss. Dabei darf auch der regionale Kontext nicht vernachlässigt werden. Die Krise in den Beziehungen zwischen Kolumbien und Venezuela Anfang des Jahres hat die Gefahr einer Ausweitung des Konfliktes auf Nachbarstaaten verdeutlicht. Mittelfristig muss die EU deshalb auch den Abschluss eines Assoziationsabkommens mit der Andengemeinschaft anstreben, um auf diese Weise zur Stabilisierung der Region beizutragen. Darüber hinaus müssen die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die Vereinten Nationen stärker als bisher in die Bemühungen um eine umfassende Lösung des Konfliktes eingebunden werden. Insbesondere die weitere Präsenz eines Sondergesandten des VN-Generalsekretärs und die Stärkung des Vertreters des Hohen Kommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Kolumbien sind deshalb unabdingbar.


 


 


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